alltagsmeditationen

Die Kunst des Nicht-Wissens

Das Weiß-Nicht-Spiel und die Kunst des Nicht-Wissens

 

Ich weiß, dass ich nichts weiß. Dieser berühmte Ausspruch eines großen Philosophen lässt sofort an den Weiß-Nicht-Geist des Meisters denken. Nicht-Wissen wird Weisheit. Seung Sahn berief sich gerne auf Sokrates. Er war wohl der Meinung, dass dessen Worte für jedermann leicht verständlich seien. Was sich so einfach anhört, erweist sich in der Praxis als wahre Herausforderung. Auch wenn wir schon halbwegs begriffen haben, was Leerheit bedeutet und was mit dem Weiß-Nicht-Geist gemeint ist, so scheint es uns nicht so recht weiterzuhelfen. Und damit stellt sich auch die Frage, welchen Nutzen Wissen überhaupt bringt. Eigentlich beginnt erst an diesem Punkt die Meditation so richtig.

Der Weiß-Nicht-Geist ist als eine Spielart zu betrachten, als ein Trick, mit dessen Hilfe versucht werden soll, das Bewusstsein von den Zwängen des Verstandes zu befreien.

Unser Bewusstsein wird eingeladen, Urlaub vom Verstand zu nehmen. Dazu müssen wir gegen zwei seiner stärksten Verbündeten antreten: das Denken und das Wissen. Es gilt also einerseits, die Grenzen des Denkens zu akzeptieren und andererseits, die Kunst des Nicht-Wissens zu erlernen. Einem weiteren Unterstützer ist ebenfalls der Kampf anzusagen: unserer Trägheit.

Wenn wir uns die Lehrmethode des Zen-Meisters Seung Sahn unter diesem Gesichtspunkt anschauen, werden wir dort alles finden, was wir dazu brauchen. Sie lässt sich stark verkürzt mit drei Leitworten beschreiben:

Nicht Denken

Weiß nicht

Mach, mach, mach

Wer will, kann dahinter die drei Pfeiler des Zen erkennen.

Das große Vertrauen

Der große Zweifel

Die große Entschlossenheit

Seung Sahn:

„Zen-Übung ist von großer Wichtigkeit. Man muss sich entscheiden, zu üben und diese Entscheidung sehr ernst nehmen. Das verlangt großen Glauben, großen Mut und großes Fragen.“

Der große Glaube bringt das große Vertrauen. Wer dem Meister, der Lehre und sich selbst vertraut, kann sich das Nachdenken ersparen. Deswegen der Rat: Nicht Denken. Dahinter steht natürlich auch die Warnung, nach rationalen Lösungen zu suchen. Denn damit würden wir uns nur noch tiefer in Irrtümern verstricken. Seung Sahn:

„Großer Glauben heißt, dass du die ganze Zeit über den Geist behältst, der sich für die Übung entschieden hat ... Zen-Geist bedeutet, immer und überall an sich zu glauben.“

Als Nächstes wäre der große Zweifel zu nennen. Er steht in enger Beziehung zum Weiß-Nicht-Geist, dem eigentlichen Kernstück der Lehrmethode Seung Sahns. Der große Zweifel wird bei ihm zur großen Frage. Es mag Menschen geben, die irgendwann einmal in ihrem Leben ganz plötzlich, wie aus heiterem Himmel, von einem derartigen Zweifel befallen wurden. Wir erinnern uns an Albert Camus: „Das Absurde kann jeden beliebigen Menschen an jeder beliebigen Straßenecke anspringen.“ In den meisten Fällen bedarf es wohl irgendeines Anstoßes. Der Zweifel kann auch auf die eine oder andere Art geweckt werden. Der theoretische Teil des Buches darf durchaus in diesem Sinne verstanden werden. Die große Frage ist in jedem Fall von eminenter Bedeutung. Seung Sahn:

„Was ist großes Fragen? Es ist wie bei einem Kind, das nur an seine Mutter denkt. Oder wie bei einem Mann, der vor Durst umkommt und nur an Wasser denkt. Das wird Eins-Geist genannt. Stellst du mit größter Aufrichtigkeit diese Frage, dann wird nur noch der Weiß-Nicht-Geist da sein.“ 


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